Verschiedene Kulturen

Foto ©Silke Daub

Ich liebe es, andere Kulturen zu erkunden und ihre Bräuche und Sichtweisen zu entdecken. Gibt es uns doch immer wieder die Möglichkeit, den eigenen Weg zu reflektieren.

Aus dem Buch Mamatoto, Geheimnis Geburt von 1991 (ISBN 3-8025-1261-8) habe ich Euch hier einen Artikel über die verschiedenen Kulturen der Geburt. Heute geht es um den Unterschied, ob die Frauen in Intimsphäre entbinden oder ein ganzes Nachbarschaftsfest darauf gemacht wurde.

„Wer wird dabei sein, wenn dein Kind das Licht der Welt erblickt? Die Hawaiianer gehen davon aus, das die meisten Frauen am Tag der Niederkunft von dem Bedürfnis gepackt werden, eine besonders gute Freundin zu sehen. Kann diese nicht zugegen sein, wird an ihrer Stelle ein Stein in der Nähe der Tür aufgestellt, damit die Frau ihre Anwesenheit spüren kann. Das hat zur Folge, daß das Kind diese Person mögen wird. Da die intensivsten Beziehungen vom Kind in den ersten Minuten und Stunden seines Lebens geknüpft werden, werden die bei der Geburt anwesenden Menschen wahrscheinlich die wichtigsten für sein ganzes Leben sein.
Für viele Menschen ist die Geburt ein ganz intimes Erlebnis zwischen Mutter und Kind. Die Kung-Frauen in Botswana gehen, wenn die Wehen beginnen, alleine hinaus in den Busch und suchen sich sich eine schattige Stelle in der Nähe des Lagers, für den Fall, daß sie Hilfe benötigen. Dort sammeln sie weiche Blätter zusammen, auf die das Kind fallen soll. Wenn die Wehen heftiger werden, lauschen sie in ihren Körper hinein und reden sich selbst beruhigend zu, während ihr Kind sich den Weg in die Welt erkämpft.

Das andere Extrem: Im Yemen ist es Sitte, das die Nachbarinnen die Frau besuchen, wenn die Wehen beginnen. Die werdende Mutter fühlt sich am wohlsten, wenn sie zu Hause, umgeben von Freundlinnen und weiblichen Verwandten, die mit ihr Gebete zu Allah sprechen, niederkommt, während die Hebamme ihren Körper massiert.

In Europa fand die Geburt königlicher Kinder häufig vor einer großen Menschenmenge statt- so kam z.B. Ludwig der XIV. in einem Raum voller geschäftiger Höflinge zur Welt.
Wir haben in unserer modernen Kultur eine andere Auffassung von Privatsphäre. Ebenso wie eine indische Hoffrau sehr überrascht war, zu hören, daß Frauen in Großbritannien ihre Kinder in Anwesenheit verhältnismäßig fremder Menschen bekommen, können wir uns schwer vorstellen, unser Kind im Kreis von Freundinnen zur Welt zu bringen. Im Gegensatz zu der Frau, die in einer kleinen Gemeinschaft aufwächst und die täglichen Einzelheiten ihres Lebens mit lebenslangen Freunden teilt, fühlen sich viele Frauen der westlichen Welt wohler, wenn sie von ihrem Partner und einigen fremden „Profis“ umgeben sind. Es gibt Geburtshelferinnen, die der Ansicht sind, daß die Geburt eine rein persönliche Angelegenheit sei- je mehr Menschen dabei sind, je heller das Licht ist, desto länger dauern die Wehen.“